Am 20. Mai 2023 war es endlich soweit, meine erste Teilnahme am Stuibentrail im wunderschönen Oetztal, wo ich schon so viele Urlaube verbracht habe. Zweimal war ich schon angemeldet (2020 und 2021), aber beide Male ist der Lauf Corona zum Opfer gefallen). Daher also erst jetzt mein erster „richtiger“ Trail – „richtiger“, weil der Jungfrau-Marathon letztes Jahr zwar knapp 2000 Höhenmeter hatte, allerdings nur bergauf, und die Strecke verläuft auch nur auf den letzten 3 Kilometern überhaupt auf Trails.
Wetterbedingt wurde die Strecke 2 Tage vor dem Start noch angepasst. Da nach 30 cm Neuschnee am Anfang der Woche fast mehr Schnee lag als den ganzen Winter lang, mussten die Passagen auf über 2000m Höhe durch tiefergelegene Strecken ersetzt werden. So ersparten die Veranstalter uns zumindest das Mitschleppen der schweren Schneespikes und die Strecke hat auf 26.1 Kilometer jetzt auch 200 Höhenmeter weniger, also „nur“ noch 1500 Höhenmeter.
Pünktlich um 9 Uhr ging es mit etwa 160 anderen Läufern los. Das Wetter war perfekt, leicht bewölkter Himmel und im Tal auf 1000m Höhe vielleicht 11 oder 12 Grad.
Schon der erste Kilometer hatte gut 50 Höhenmeter – Learning für das nächste Mal: unbedingt vorher warm laufen, das war ganz schön hart für einen Kaltstart (ok, vielleicht bin ich auch „etwas“ zu schnell losgelaufen …)
Nachdem wir die Hauptstraße verlassen hatten, ging es ein Stück steiler im Wald hoch, bevor es nochmal kurz flach wurde. Ein kurzer Moment, um etwas Luft zu holen für das erste Highlight des Tages – den Aufstieg entlang des Stuibenfalls (dem größten Wasserfall Tirols). Auf 720 Stufen, teilweise Naturstufen, größtenteils aber als Stahltreppe angelegt, ging es gut hoch. Vor allem der erste, freischwebende Teil der Treppe hat tierisch gewackelt, wie ein Schiff bei starkem Seegang. Das war ganz schön gruselig.
Oben angekommen, gerade mal 4 Kilometer, aber immerhin schon über 500 Höhenmeter geschafft, habe ich mich wirklich gefragt, wie ich es überhaupt bis ins Ziel schaffen soll, diese harten Kilometer hatten meine Energiereserven schon ziemlich aufgebraucht. Es folgte dann die erste Verpflegungsstation und eine kurze, flache Passage, an deren Ende mein persönlicher Fanclub (aka Mama und Papa) wartete und mich kräftig anfeuerte.
Mama und Papa warteten direkt am nächsten Highlight des Tages – geschätzte 50 Höhenmeter ging es einen steilen Grashang, den Rauhen Bichl (ein besonderes Schutzgebiet), an einem Seil hoch. Durch den Regen des Vorabends war das Gras verdammt rutschig, ich hatte ziemlich Angst abzurutschen und den Berg wieder runterzurutschen, bin aber zum Glück heile oben angekommen.
Nachdem es für einen guten Kilometer nochmal relativ flach bzw. nur leicht ansteigend über eine Straße ging, vorbei an den Bauernhöfen Bichl, folgte danach der zweite lange Anstieg des Tages. Kilometer 8 hatte nochmal fast 300 Höhenmeter Aufstieg, inklusive einer kleinen, seilversicherten Stelle. Genauso steil ging es auf dem nächsten Kilometer dann auch wieder runter. Und dann war es auch noch super nass und rutschig. Ich weiß gar nicht, wie viele Läufer mich auf diesem Kilometer überholt haben, 20 waren es bestimmt. Einige von ihnen haben bis zur nächsten Zwischenzeit über 10 Minuten Vorsprung auf mich rausgelaufen, und das lag nicht am folgenden Anstieg. Es bleibt also festzuhalten, bergab laufen muss ich unbedingt nochmal üben. An diesem Berg war ich tatsächlich schneller bergauf als bergab. Immerhin standen Mama und Papa am Ende des Abstiegs, um mich anzufeuern.
Auf dem folgenden Stück konnte ich aber zumindest einige der Läufer wieder überholen, das Stück war nämlich ganz nach meinem Geschmack – ein Fahrweg, der konstant ansteigt, zu steil, um noch laufen zu können, aber perfekt für sehr zügiges Gehen. Außerdem hatte man hier auch eine super Aussicht zurück auf das kleine Dorf Niederthai.
Da ich noch nie einen Traillauf gemacht habe, konnte ich überhaupt nicht einschätzen, wie lange ich wohl für die Strecke brauchen werde. Aber unter 4 Stunden wollte ich eigentlich schon bleiben. Nach 2 Stunden hatte ich 11.7 km auf der Uhr stehen. Zu diesem Zeitpunkt waren schon deutlich mehr als 1000 der 1500 Höhenmeter Anstieg geschafft. Etwas mehr als 14 Kilometer in 2 Stunden also, wobei es ab Kilometer 16 ja eigentlich nur noch bergab geht, und ein Großteil davon (so dachte ich zumindest zu dem Zeitpunkt) auf sanft abfallenden Straßen, das sollte als überhaupt kein Problem sein.
Nachdem es nochmal ein kleines Stück auf einem Fahrweg bergab ging, folgte der letzte längere Anstieg des Tages, nochmal 2 Kilometer mit 300 Höhenmetern hoch. Auch hier konnte ich nochmal ein paar Läufer überholen, zu dem Zeitpunkt hatte ich ein richtiges Hoch. Ich hatte unglaublichen Spaß an dem Anstieg, an den Bergen um mich herum und hatte das Gefühl, ich hätte noch Stunden so weiter laufen (bzw. eher gehen) können. Aber auf jedes Hoch folgt leider meistens auch ein Tief, und auf meines musste ich gar nicht so lange warten.
Nachdem ich den Abstieg nach Niederthai deutlich schneller geschafft hatte als den vorherigen Abstieg (diesmal haben mich nur 3 Läufer überholt, es war aber auch nicht ganz so steil und nicht so rutschig), ging es ein letztes Mal an Mama und Papa vorbei. Für mich ging es nochmal auf der Straße hoch zu den Höfen Bichl. Hier stießen auch die Läufer der 42 km Strecke, die schon morgens um 7 Uhr gestartet waren, wieder zu uns. Dann begann mein Tief … Schon seit dem Start war mir irgendwie schlecht, und auf diesem Stück wurde es dann besonders schlimm. Leider konnte ich, mal wieder, so gut wie keine Verpflegung zu mir nehmen. Dementsprechend fehlte mir so langsam, nach knapp 20 km, 1400 Höhenmeter Aufstieg und 3 Stunden Laufzeit, einfach die Kraft. Und die Beine fingen auch an, richtig weh zu tun durch die ungewohnten Höhenmeter. Immerhin geht es jetzt nur noch bergab versuchte ich mir einzureden. Aber wie … anhand der Karte hatte ich irgendwie damit gerechnet, dass es jetzt größtenteils auf einem Fahrweg bergab ging, aber nix da. Erstmal ging es steil auf einem Trampelpfad eine matschige Wiese runter, danach wurde es aber zumindest für ein oder zwei Kilometer besser.
Die letzten 4 Kilometer waren die reinste Qual. Zunächst ging es wieder relativ steil sogar auf einem schmalen Trail im Wald bergab. Anschließend folgte nochmal ein kurzer Anstieg, und dann ein ziemlich welliger Trail durch den Wald, wobei man die ganze Zeit schon die Ansagen und die Musik aus dem Zielbereich hören konnte, der aber noch einige Kilometer entfernt war und einfach nicht näher kommen wollte. Mir fehlte die Kraft, um nochmal zu laufen. Jedes Mal, wenn mich ein Läufer überholte, versuchte ich, mich hinten dran zu hängen, aber spätestens nach 200 oder 300m musste ich wieder gehen und den Läufer ziehen lassen. Etwas mehr als einen Kilometer vor dem Ziel ging es dann endlich raus aus dem Wald und auf eine Straße, die leicht abfallend zurück nach Umhausen führte. Für den letzten Kilometer mobilisierte ich nochmal jegliche verbleibende Kraft, um doch nochmal zu laufen. Mit gefletschten Zähnen, absolut am Ende, aber auch super glücklich, überquerte ich nach ziemlich genau 3 Stunden und 51 Minuten die Ziellinie in Umhausen.
Auch wenn die letzten Kilometer unglaublich hart waren, mein erster Traillauf hat mir super viel Spaß gemacht, und das Gefühl, es geschafft zu haben und die eigenen Grenzen getestet zu haben, ist wahnsinnig schön. Das war mit Sicherheit nicht mein letzter Trail. Jetzt brauchen meine Beine allerdings erstmal eine Pause – selbst eine Woche nach dem Lauf habe ich immer noch Muskelkater.
Und an die anderen begeisterten Trailläufer unter euch – ich kann den Stuibentrail nur empfehlen. Landschaftlich ist die Strecke traumhaft schön, die Strecke war super markiert, und was mir besonders gut gefallen hat: unten im Ziel gibt es eine Live-Übertragung von verschiedenen Punkten an der Strecke, inklusive Kommentar.
Im Ziel nach 3h 51 min 🙂 Glückwunsch