Holger im Mannheimer Morgen

Mannheimer Morgen vom 14. Oktober 2021 von Volker Endres

Vom Junkie zum Extremsportler

Der Mannheimer Holger Gremmers war mehr als ein Vierteljahrhundert abhängig. Heute legt der 53-Jährige bei Läufen mehr als 200 Kilometer zurück.

Mannheim. „Was ihr macht, ist kein Leben“ – das würde Holger Gremmers am liebsten allen Menschen sagen, die Drogen nehmen. Der 53-jährige Mannheimer weiß, wovon er redet. Mit 16 begann seine Rauschgiftkarriere, sie sollte erst mach über einem Vierteljahrhundert zu Ende gehen. Seit zehn Jahren ist Gremmers nicht nur clean, sondern Extremsportler. Bei seinem letzten Lauf hat er exakt 206 Kilometer und 10.000 Höhenmeter zurückgelegt.

Dieser Weg war nicht unbedingt vorgezeichnet. Früher hatte Gremmers für Sport nicht sonderlich viel übrig gehabt. „Wenn ich druff war, habe ich mir das höchstens im Fernsehen angeschaut“, sagt er und muss ob der Erinnerung an seine Vergangenheit lachen. Der ist Gremmers mittlerweile förmlich davongelaufen und hat sie weit hinter sich gelassen. Viel weiter, als es der mehr als 200 Kilometer lange Lauf „L’Infernal“ Ende September in den Vogesen mit ausdrücken könnte. Rund 44 Stunden hat er dafür gebraucht. Minuten oder gar Sekunden spielen bei dieser Strecke eine eher untergeordnete Rolle.

Gremmers war zufrieden mit sich. „Ich wollte zwischen 40 und 50 Stunden laufen“, sagt er. Geschlafen hat er in dieser Zeit nicht. „Ich habe nur mal knapp eine Viertelstunde gedöst.“ Eine Entziehungskur, die er im Rahmen einer Haftstrafe 2009 angetreten hatte, brachte die Wende. „Dort konnte man auch viel Sport treiben“, erzählt Gremmers. Im Schwarzwald war das, in der Nähe von Calw. „Es gab es einen Fünf-Kilometer-Lauf, auf den wir hintrainiert haben.“ Aus den fünf wurden zehn Kilometer, daraus der erste Marathon und schließlich die Extremläufe. „Diese Energie ist einfach in mir drin. Jetzt ist Laufen meine Sucht“, so der 53-Jährige. Und er hat die Vergangenheit nun immer mit dabei: Auf seinem Trikot prangt künftig auch der Schriftzug des Mannheimer Drogenvereins.

Dessen Geschäftsführer ist inzwischen Philip Gerber. Begonnen aber hat er vor vielen Jahren als Streetworker und Sozialarbeiter. Und lernte dabei Holger Gremmers kennen, begleitete den Süchtigen über viele Jahre. „Es war wohl eine Gerichtsauflage“, hat Gerber keine genaue Erinnerung mehr an das erste Treffen, wohl aber an die Person. „Er war nie ein typisches Mitglied der Drogenszene.“

Tatsächlich ging der gelernte Drucker Gremmers auch während seiner Sucht immer einer geregelten Arbeit nach. „Das war mein Selbsterhaltungstrieb“, sagt der Athlet heute. Das habe lange funktioniert, weil das Umfeld – Eltern und Arbeitgeber – ihn unterstützt hätten – „auch noch nach der ersten Verhaftung.“ Die habe aber noch nichts bewirkt. Statt einer Gefängnisstrafe ordnete das Gericht einen Drogenentzug an. „Aber selbst dort ist man an das Zeug gekommen.“

Besser wurde es erst nach abermaligen Vergehen 2009 – in Haft. Gremmers erinnert sich an seinen Wegbegleiter vom Drogenverein. „Ich habe ihn gefragt, ob der Verein mit auf das Trikot will.“ Philipp Gerber sieht es eher so, „dass Holger uns sponsort“. Immerhin sei der Läufer auch für andere Abhängige ein Beispiel, dass der Absprung in ein drogenfreies Leben gelingen kann. Ein solche führt Gremmers seit nunmehr zehn Jahren. Ich denke nie mehr daran, dass ich wieder etwas nehmen könnte“, sagt er. Im Gegenteil. Er lehnt alle Substanzen in seinem Körper ab.

„Als ich 2016 einen schweren Fahrradunfall hatte, wollte ich nicht einmal Schmerzmittel nehmen. Ich hatte Angst, davon wieder süchtig zu werden“, so Gremmers. Das sportliche Fahrradfahren gab er auf. „Triathlon war sowieso nie etwas für mich. Das ist schon am Schwimmen gescheitert“, erklärt der Mannheimer. Bleibt das Laufen. Und dem bleibt Gremmers mit ungebrochener Leidenschaft treu. „Ich laufe jeden Samstag 50 Kilometer, und sonntags dann noch einmal 30 oder 60.“ Die Strecke sei dabei fast egal.

Beim Pfalz-Trail über 80 Kilometer habe er sich einmal verlaufen.“ Er sei dann erst nach 90 Kilometern ins Ziel gekommen. Spaß hat es ihm trotzdem gemacht. Gremmers will die Lust am Laufen nicht nur seiner Läufergruppe aus Seckenheim (www.laufseggenelauf.de) weitergeben, sondern auch der Mannheimer Ortsgruppe des Deutschen Alpenvereins bei geführten Aktivitäten in der Pfalz und im Odenwald. Ganz zur Freude von Philip Gerber: „Es ist nicht alltäglich, dass jemand überhaupt den Ausstieg schafft. Aber mit Sport als Hilfe kann vielen gelingen“, sagt er.

73,9 km auf dem Rennsteig

2.-3.OKTOBER 2021 GUTSMUTHS RENNSTEIGLAUF

Supermarathon 73,9 km

Anstiege gesamt: 1.874 m
Abstiege gesamt: 1.386 m
Höhendifferenz: 3.260 m

Start in Eisennach um 06.30 Uhr…..das sind die nackten Zahlen…und ich hatte noch eine Rechnung offen….es war inzwischen der 3 Start bei dem Supermarathon und das letzte Mal musste ich bei 38 km wegen Schmerzen in dem Hüftbereich das Rennen vorzeitig beenden …     L

Der Start erfolgte auf dem Marktplatz in Eisenach (215 m NN) um 6.30 Uhr in Gruppen von jeweils 20 Läufern. Am Stadtrand folgt ein langer Anstieg bis man auf den Rennsteig trifft. Auf dem Waldweg geht es vorbei an der „Moosbacher Linde“ (352 m), der Weinstraße“ (445 m) und dem „Marienblick„. Eine tolle Atmosphäre herrschte aufgrund der am Waldweg aufgestellten Autos und Lichter, die den Weg im Dunkeln beleuchteten. Nach 7,4 erreichte man den Rennsteig in einer Höhe von 445 m NN. Nun geht es auf dem Rennsteig entlang an der Schutzhütte „Zollstock“ (527 m), über das „Ruhlaer Häuschen“ (629 m), Bergwachthütte (14,9 km / 665 m) und „Glöckner-Ehrenmal“ zur „Glasbachwiese“ (18,0 km / 647 m). Es folgen der Anstieg zur „Hirschbalzwiese“, die „Dreiherrenstein“ (20,6 km / 740 m), über den „Großen Weißenberg“ folgt ein kurzer Abstieg zur „Brotteröder Hütte“ (720 m) und dann der steile Anstieg über knapp 2,5 km über den „Oberen Beerberg“ (830 m) zum „Großen Inselsberg“ (25,5 km / 916 m). Vorsicht war beim Abstieg geboten! Auf nur 1,3 km geht es einige Treppenstufen und einen steilen Weg bergab auf 725 m zur „Grenzwiese“ (26,8 km).

Mit geringen Höhendifferenzen ging es weiter zum „Heuberghaus“ (30,9 km / 690 m) und über den „Spießberg“ (748 m) zu dem „Possenröder Kreuz“ (33,6 km / 700 m). Halbzeit auf der „Ebertswiese“ (37,5 km / 720 m). Mehr als die Hälfte der Strecke war geschafft … und hier war ich damals – in einem andern Leben ausgestiegen-.

Gestärkt nimmt man dann die nächsten Anstiege in Angriff. Zunächst hinauf zum „Glasberg“ (760 m), wieder hinab zur „Alten Ausspanne“ (742 m) und wieder hinauf zum „Nesselberg“ (747 m). Über einen kurzen Abstieg zum Rennsteighaus erreicht man bei 40,9 km über die teilweise steilen Aufstiege „Krämerod“ (765 m), Sperrhügel (869 m) und „Schmalkalder Loipe“ (881 m). Weiter geht es über den „Wachsenrasen“ (815 m) zur Getränkestelle „Gustav-Freytag-Stein“ (51,3 km / 876 m), mit Richtung Oberhof! Die Querung der Rollerstrecke wirft erste Schatten auf das Wintersportmekka am Rennsteig. Bei Kilometer 54,0 erreicht der Supermarathoni den „Grenzadler“ (842 m). Hier erfolgt eine Zwischenzeitnahme. Die Möglichkeit des Ausstieges mit Zeitnahme ist hier gegeben ….hier hatte ich noch den Traum bei 8 Std. und 11 Minuten, den Lauf unter 11 Stunden zu absolvieren … ab hier ruft aber das schönste Ziel der Welt …

Der Läufer hat nun noch knapp 20 Kilometer zu bewältigen ….muss doch machbar sein – unter 11 Stunden … 20 km??? An Oberhof vorbei ging es über den „Stein 16“ (889 m) zum „Rondell“ (826 m). Für alle steht ab hier der Anstieg zum Großen Beerberg, der mit seinen 980 m der höchste Punkt des Thüringer Waldes ist, bevor … und da war meine Zeit futsch ;-). Vom Rondell aus ging es zur „Sommerswiese“ (58,9 km / 855 m) und über eine kurze steile Rampe hinab folgt man dem Rennsteigskiweg bis zur „Suhler Ausspanne“ (922 m), bevor es dann zum höchsten Punkt der Strecke (62,2 km / 974 m), unterhalb des Gipfels des Großen Beerbergs, ging.

Den Abstieg vom Großen Beerberg hinunter und hinauf auf den Rosenkopf (938 m), zur letzten Verpflegungsstelle „Schmücke“ (65,0 km / 916 m) und zur letzten Getränkestelle „Kreuzwege“ bzw. „Bierfleck“ (69,3 km / 822 m). Dem Namen entsprechend erhält man am „Bierfleck“ erfrischendes Köstritzer Schwarzbier, auch eine Besonderheit beim Rennsteiglauf, der dann für das letzte Stück noch einmal Energie ga.vielleicht hätte ich etwas mehr trinken müssen   ;-).

Das Ziel ist dann nicht mehr weit. Über den „Skilift am Eisenberg“ hat der Läufer den besten Blick über Schmiedefeld und man bereits den Trubel vom Sportplatz hören. Mit einer herzlichen Gastlichkeit, Beifall, Jubel und den Ansagen der Zielsprecher wird man im Ziel von Einheimischen, Gästen, Begleitern empfangen. 73,9 Kilometer von Eisenach bis Schmiedefeld sind geschafft. Auch wenn ich weit vom ersten Platz entfernt bin (Siegerzeit 5:32 Std), bin ich mit meinen 11 Std. 08 Minuten gefühlt auch wieder ein Sieger – denn jeder Rennsteigläufer und besonders die, die diese Strecke bewältigt haben, können sich als Sieger fühlen … und nächstes Jahr? … verzichten auf Bratwurst, Haferschleim, Bier, tolle Betreuung und das Gefühl, wenn man es schafft … glaube nicht 😉